Wie kleine und mittlere Unternehmen das Hinweisgebersystem verankern

Autoren: Astrid Meyer-Krumenacker, Rechtsanwältin und Unternehmensberaterin; Imre Szerdahelyi, Kommunikations- und Marketingexperte

Es hat Jahre gedauert, doch nun ist es fix und maßgeblich: das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern, verabschiedet vom Bundesrat am 12. Mai 2023. Kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) mit mehr als 250 Mitarbeitern sind nun verbindlich verpflichtet, ab Verkündung des Gesetzes (voraussichtlich Ende Mai/Anfang Juni 2023) innerhalb von nur einem Monat ein internes Hinweisgebersystem einzurichten. KMUs zwischen 50 und 250 Mitarbeitern haben dafür noch bis 17. Dezember 2023 Zeit.

Nachfolgend werden die Notwendigkeiten einer Einführung des Hinweisgebersystems als Reputationsschutz nach innen und außen beschrieben und Empfehlungen für eine durchdachte und aktive Kommunikation gegeben, die in Verantwortung der Geschäftsführung liegt.

Hinweisgebersystem ab Juni 2023 innerhalb eines Monats im Unternehmen verbindlich verankern

Warum ist das notwendig? Immer wieder kommt es in Unternehmen und bei Institutionen zu strafbaren Handlungen durch Management und Mitarbeiter, beispielsweise Steuerhinterziehung, Korruption oder auch Betrug. Wer in den Medien nach Compliance-Verstößen in Deutschland sucht, findet zahlreiche öffentlich gewordene Fälle für ein Fehlverhalten von Managern, durchaus gepaart mit unglaublicher krimineller Energie. Aufmerksamkeitsstärkste Fälle waren in den vergangenen Jahren Wirecard, der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) und der Fall Julian Reichelt, ehemaliger Chefredakteur von Bild.

Unter den unzähligen Fragen, wie es in den Unternehmen und Institutionen dazu kommen konnte, steht insbesondere eine im Vordergrund:

Wäre dies mit einem funktionierenden Compliance-System und vor allem einem anonymen Hinweisgebersystem (Whistleblower Hotline) vermeidbar gewesen?

Bereits heute haben zahlreiche Unternehmen mithilfe eines Compliance-Management-Systems die Einhaltung von Regelungen, Gesetzen und freiwilligen Kodizes geregelt. Das nun einzuführende Hinweisgebersystem ist ein Frühwarnsystem für mögliche Missstände in Unternehmen und Institutionen. Mithilfe einer Whistleblower-Hotline haben dabei sowohl die Belegschaft als auch Geschäftspartner die Möglichkeit, Fehlverhalten oder andere Probleme aus dem Geschäftsbetrieb zu melden – namentlich oder anonym. Das Management hat so die Chance, gemeldete Fälle aktiv zu klären, bevor diese extern Strafverfolgungsbehörden oder Medien bekannt werden.

Hinweisgebersystem als Reputationsschutz nach innen und außen

Machen wir uns nichts vor: Ein Hinweisgebersystem polarisiert innerhalb der Belegschaft. Viele Mitarbeiter*innen haben beispielsweise die Sorge, dass dieses zur Überwachung seitens des Managements missbraucht wird oder Kolleg*innen aus niederen Gründen schlecht gemacht oder denunziert werden. Manchen ist aber auch eine „anonyme Meldung“ per se verdächtig. Gibt es diese Möglichkeit aber nicht, wird man voraussichtlich nur sehr wenige Meldungen haben.

Die nun verbindlich anstehende Einführung eines Hinweisgebersystems stellt KMUs vor große Herausforderungen, da sie dieses nun zusätzlich zum laufenden Geschäftsbetrieb, dem Lösen aktueller Herausforderungen (bspw. Auswirkungen der Energie-Krise) und der Verankerung weiterer regulativer Vorgaben (bspw. Lieferkettengesetz) vornehmen müssen.

Vor diesem Hintergrund ist – neben der Erfüllung aller rechtlichen Voraussetzungen und der Nutzung von Softwarelösungen – bei der Einführung eine durchdachte und aktive Kommunikation zwingend notwendig. Eine Kommunikation, die dazu beiträgt, dass ein Hinweisgebersystem als Reputationsschutz nach innen und außen akzeptiert und anerkannt ist. Eine Kommunikation, die von der Geschäftsführung verantwortlich geführt wird.

Kommunikation durch Geschäftsführung: durchdacht, aktiv, regelmäßig

Zur erfolgreichen Einführung eines Hinweisgebersystems mit dem übergreifenden Ziel des Reputationsschutzes nach innen und außen, sollte die Geschäftsführung folgende Punke beherzigen:

  • Die Verantwortung liegt ausschließlich bei der Geschäftsführung

Die Einführung des Hinweisgebersystems basiert auf einem Gesetz. Dies ausschließlich als Grund für eine „notwendige oder gar gezwungene Einführung“ anzugeben, verfehlt das Ziel bereits im Ansatz. Als Geschäftsführer haben Sie die Verantwortung für die Einhaltung von Recht und Ordnung in Ihrem Unternehmen und in der Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern. Nicht nur der Fall Wirecard, bei dem Journalisten wesentliche Aufklärungsarbeit geleistet haben, zeigt: Eine jahrelang mühsam aufgebaute positive Reputation kann durch ein einziges Fehlverhalten eines Managers oder Mitarbeiters in kürzester Zeit zunichte gemacht werden.

  • Es geht um Aufklärung, Verständnis und Vertrauen

Im Zuge der Einführung gilt es, mithilfe von Kommunikation einen Veränderungsprozess nach innen und außen erfolgreich zu gestalten. Mitarbeiter*innen und Geschäftspartner müssen umfassend aufgeklärt werden, es muss Verständnis und Vertrauen geschaffen werden und voraussichtlich müssen auch Einstellungen und Verhaltensweisen geändert und ins Positive gedreht werden. Beispielsweise, dass weder Überwachung noch Denunziantentum das Ziel einer Einführung des Hinweisgebersystems ist. Auch die Art und Qualität der Meldungen, die sich das Unternehmen von den anonymen Whistleblowern erwartet, muss genau vermittelt werden, ebenso wie Meldungen, die man nicht haben will.

  • Bilden Sie ein starkes Team aus Multiplikatoren, um Akzeptanz zu schaffen

Der Betriebsrat hat bei der Ausgestaltung des Hinweisgebersystems ein Mitspracherecht. Es ist somit ratsam, den Betriebsrat von Beginn an in die Kommunikation und das Projektteam zur Einführung einzubinden. Diesem sollten des Weiteren Vertreter der Rechts- und der Personalabteilung, der IT sowie der Kommunikationsabteilung angehören. Legen Sie bei der Einführung eines Meldesystems – unabhängig ob persönlich, analog oder digital – größten Wert auf das Thema Datenschutz. Gewinnen Sie Ihre Führungskräfte, damit diese bei der Akzeptanzsteigerung innerhalb der Belegschaft verantwortlich unterstützen.

  • Kommunizieren Sie und seien Sie präsent

Die Kommunikation im Zuge der Einführung des Hinweisgebersystems ist und bleibt Aufgabe der Geschäftsführung. Erläutern Sie Ziele, Aufgaben und Prozesse persönlich und geben Sie Mitarbeiter*innen Hilfestellungen an die Hand. Seien Sie nah an Ihrer Belegschaft, stellen Sie sich deren Fragen und nehmen Sie deren Bedürfnisse und Vorbehalte ernst. Kommunizieren Sie durchdacht und aktiv.

Fazit

Das Hinweisgebersystem wird für kleinere und mittlere Unternehmen voraussichtlich ab Mitte Juni 2023 verpflichtend zur Einführung innerhalb nur eines Monats. Die erfolgreiche Einführung steht und fällt mit der Geschäftsführung. Diese steht vollumfänglich in der Verantwortung, um Akzeptanz, Verständnis und Vertrauen bei Belegschaft und Geschäftspartnern zu schaffen. Eine durchdachte und aktive Kommunikation stellt hierfür einen gewinnenden Wertbeitrag dar.

Über die Autoren:

Astrid Meyer-Krumenacker, Rechtsanwältin und Unternehmensberaterin (www.amk-law.de):

Als selbstständige Rechtsanwältin und Unternehmensberaterin unterstützt Astrid Meyer-Krumenacker international agierende mittelständische Unternehmen (KMUs) der unterschiedlichsten Branchen und Ausrichtungen bei der Entwicklung und Umsetzung praxisgerechter Compliance-Management-Systeme. Seit vielen Jahren hat sie sich leidenschaftlich und mit Leib und Seele der „Thematik der rechtssicheren Führung von Unternehmen“ verschrieben, getreu dem Motto: Compliance nicht um jeden Preis, aber so viel wie nötig und so wenig wie möglich! Auf diese Weise erstellt sie schlanke und maßgeschneiderte Compliance-Konzepte zu vertretbaren Kosten und führt begleitend Mitarbeiterschulungen zu unterschiedlichsten Rechts- und Compliance-Fragen durch.

Imre Szerdahelyi, Kommunikations- und Marketingexperte (www.imreszerdahelyi.de):

Mit seiner Marketing- und Kommunikationsberatung hilft Imre Szerdahelyi mittelständischen Unternehmen (KMUs), ihren Marktauftritt aufzuwerten, Geschäftschancen zu verbessern und sie sehenswürdig für ihre Kunden zu machen. Seinen Klienten stellt er seine Erfahrungen und Kenntnisse aus über zwölf Jahren als globaler Leiter für Markenmanagement, Marketing, Kommunikation und Investor Relations für weltweite Markt- und Technologieführer zur Verfügung. Beispielsweise über 1.400 Projekte in der internen und externen Kommunikation, darunter auch die Einführung von Compliance-Management-Systemen.